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Aus dem Alltag einer Pflegefamilie

Kinder und Jugendliche werden aus unterschiedlichsten Gründen in Pflegefamilien (*SoFam-Familien) untergebracht. Die Dauer und Intensität der Betreuung variiert je nach Anfrage. Familie F. hat sich entschieden ihr Zuhause für ein Pflegekind zu öffnen und sich als Pflegefamilie für Kurzzeitunterbringungen zu engagieren. Im Interview geben Sie einen Einblick aus ihrem spannenden Alltag.

Datum
19. November 2019

«Warum habt ihr euch entschlossen, eine SOS - Pflegefamilie zu werden?»

«Wir hatten es einfach auf dem Herzen und wollten so etwas schon immer machen. Zuerst meldeten wir uns bei den Organisatoren der Babyklappe, die es in der ganzen Schweiz verteilt gibt. Da sie nur Familien mit Kindern ab 13 Jahren nehmen, kamen wir dafür nicht in Frage. Wir möchten aber eine Pflegearbeit als ganze Familie tun. Als wir von *SoFam hörten, wussten wir: Das ist es!»

«Als die Anfrage für die SOS – Unterbringung kam, wie seid ihr vorgegangen?»

«Da kommt ein Telefon mit der Anfrage, ob wir bereit für eine Notfallplatzierung seien. Wir besprechen uns kurz (viel Zeit hat man da nicht), bewegen es und wissen dann ziemlich schnell, ob ja oder nein. Wir möchten für das Kind eine verlässliche Bezugsperson sein, Vertrauen aufbauen, Geborgenheit und Liebe geben. Dazu braucht es vor allem viel Ruhe und Zeit. Darum ist es wichtig, genau zu überlegen.»

«Was geht euch als erstes bei so einer Anfrage durch den Kopf?»

«Einerseits freuen wir uns natürlich, einem Kind helfen zu können, andererseits sind da auch gemischte Gefühle, da wir nicht genau wissen, was auf uns zukommt. Wäre das Kind etwas älter, ginge es ihm sicher auch so. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Eltern? Schreit das Baby viel und braucht es auch nachts Zuwendung? Wie reagieren unsere Kinder auf das Kind? Gerade bei einer verdeckten Unterbringung melden sich Gedanken wie: Taucht vielleicht die Mutter plötzlich hier auf und will das Baby mitnehmen? Man muss sehr spontan sein, flexibel und einen guten Zusammenhalt in Ausnahmesituationen haben.

Gemeinsam meistern wir den Family-Alltag: Spazieren gehen, einkaufen, kochen alles wie sonst. Dazu kommt vielleicht stundenlanges Herumtragen, in den Nächten aufstehen, ‚schöppela‘, baden, wickeln, spielen – und vor allem herausfinden, was das Kind braucht. Es geht aber meistens nicht lange, und es ist schon wieder fast normaler Alltag. Einfach ein Kind mehr …»

«Was ist schön an dieser Aufgabe als Pflegefamilie?»

«Dem Kind einen sicheren Ort mit Geborgenheit, Struktur und viel Liebe bieten zu können, gefällt uns. Die Fortschritte des Kindes zu sehen, ist wunderschön. Sei es das erste Lächeln, das Rollen auf den Bauch oder die Babysprache. Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern schätzen wir. Wir erleben die Eltern zum Beispiel bei Besuchen oder bei der Übergabe des Kindes. Dabei ist es uns wichtig, klare Abmachungen zu treffen. Wir führen ein offenes Gespräch. Wir sind uns bewusst, dass es für die Eltern nicht immer einfach ist, ihr Kind einer fremden Person zu überlassen. Deshalb ist es uns wichtig, den Eltern wertschätzend zu begegnen. Die Begleitung durch die zuständige Bezugsperson, die uns in der Zusammenarbeit mit den Eltern oder der Behörde unterstützt, ist enorm wertvoll, und dafür sind wir sehr dankbar.»

«Was sind die grössten Herausforderungen?»

«Oft gilt es eine grosse Spannung auszuhalten. Die Ungewissheit zu ertragen, wie es mit einem Kind bei der Rückgabe weiter geht, wenn wir die Anschlusslösung nicht gut finden, ist nicht einfach. Wir sind zuständig für das Kind, so lange es bei uns ist, aber nicht für die Umstände danach. Das kann belastend sein. Gerade wenn man sieht, in welchen Verhältnissen das Kind später manchmal aufwachsen muss.»

«Könnt ihr ein besonderes Highlight oder eine lustige Begebenheit aus der Zeit als Pflegefamilie erzählen?»

«Es ist teilweise lustig, wie die Leute reagieren: Als wir ein Baby mit dunklerem Hautteint aufnahmen, ging im Dorf das Gerücht um, ob denn in unserer Ehe alles okay sei …. Oder die gelegentliche Feststellung: ‚Ich habe gar nie gesehen, dass du schwanger warst. Habe ich etwas verpasst?‘ Man darf das mit Humor nehmen!»

«Würdet ihr andern Familien auch den Schritt zu einer Pflegefamilie empfehlen?»

«Wir finden es eine wunderbare Arbeit. Natürlich muss man bereit sein, sein Leben und den Alltag anzupassen. Die guten Momente überwiegen. Wir finden es für uns als Familie und die Kinder eine gute Möglichkeit, zu teilen, zu integrieren und auch zu erleben, dass es nicht selbstverständlich ist, ein geborgenes Zuhause zu haben. Etwas zusammen zu machen, wofür unser Herz schlägt, ist bereichernd für die Ehe. Sehr wichtig ist es, dass noch andere Familien auf der SoFam-Liste bereit stehen. Es braucht noch mehr Familien, die Ihr Zuhause für ein Kind in einem Notfall, oder für eine Langzeitunterbringung öffnen.»

*SoFam: Möchten Sie Ihr Zuhause als Pflegefamilie bereitstellen?

Seit Anfang 2015 ist die Sozialpädagogische Fachstelle der Stiftung Gott hilft als Familienplatzierungsorganisation in Graubünden anerkannt. Diese Arbeit rund um die Abklärung, Unterbringung und Begleitung in Pflegefamilien nennen wir SoFam. Wenn Sie sich von diesem sozialem Engagement angesprochen fühlen, sich überlegen ob sie einem Kind für kürzere oder längere Zeit ein Zuhause bieten möchten, dann können Sie sich jederzeit für ein unverbindliches Gespräch bei uns melden. Gemeinsam bieten wir Kindern und Jugendlichen ein zweites Zuhause auf Zeit.

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